|
Presse aktuell 2010
|
Die Oberbadische vom 5.3.10
Die Welt mit liebenden Augen anschauen
Die Schauspielerin und Rezitatorin Doris Hubach interpretiert Hebels Texte
Lörrach. 2010 ist
Hebeljahr. Die aus Lörrach stammende
Schauspielerin und Rezitatorin Doris Hubach wird
Hebels Dichtung einen Abend im Nellie Nashorn
widmen. Vor zehn Jahren gründete sie in
Stuttgart die WortKunst- Schmiede. In ihrer
Heimatstadt wird Doris Hubach am Samstagabend
Hebels Texte „neu“ interpretieren. Begleitet
wird sie dabei von der französischen Musikerin
Helene Godefroy. Mit der Hebel-Interpretatorin
sprach unsere Redakteurin Gabriele Hauger.
Sie stammen aus einer Hebel-Region. Wie
haben Sie persönlich Hebel für sich entdeckt?
Das ging fast automatisch: WortKunstSchmiede Ich
wohnte in der Hebelstraße in Haagen, war in der
Hebelschule in Lörrach, in der Realschule haben
wir Hebel durchgenommen, und zu Hebels
Geburtstag habe ich mit 14 Jahren den Hebelpreis
als beste alemannische Sprecherin bekommen.
Hebel hat mich also quasi schon in der Schulzeit
gepackt. Meine Liebe zu Hebel verdanke ich aber
vor allem dem zweiten Mann meiner Großmutter,
einem waschechten Zeller. Der konnte die ganzen
Hebel-Gedichte auswendig, schrieb mir in mein
Tagebuch „und wenn du ame Chrützweg stohsch...“,
erzählte mir die Kalendergeschichten auf
Alemannisch.
Ist Hebel noch modern?
Für mich ist Hebel unsterblich.
Was ist für Sie von größerer Bedeutung:
Hebels Sprache oder die Inhalte seiner Dichtung?
Ich sehe ihn vor allem als Mundartdichter.
Inhalte und Sprachform - das gehört für mich
zusammen. Die Sprachform, in die er seine
Geschichten gesetzt hat - das ist das
Großartige.
Der Abend im Nellie Nashorn spricht auch
Kinder ab neun Jahren an. Warum eignen sich die
Hebel- Geschichten für Kinder?
Durch das Gottvolle in Hebels Dichtung. Das
fehlt ja heute. Hebel stellte die Weisheit der
Welt sprachschöpferisch in seiner Mundart
heraus. Die göttliche Schöpfung ist bei ihm
selbstverständlich da. Er holt das alte
Brauchtum in die Gegenwart. Die
Selbstverständlichkeit, wie die Engel, Geister
und Elementarwesen ständig im Alltag der
Menschen gestaltend wirken, das ist auch die
Welt der Kinder. Hebel bringt das „Ehne dra“,
das was hinter dem Offensichtlichen steht, zum
Ausdruck. Die Welt mit liebenden Augen anschauen
wie Hebel es tut - ich glaube, das ist für die
Kinder von heute ganz wichtig.
Sie beschäftigen sich intensiv mit
Sprache, Sprachklang, mit dem Instrument Stimme.
Was ist an Hebels Sprache so besonders?
In seiner Sprache steckt so viel drin. Wie Hebel
die rhythmische Form mit dem eigenen
dialektischen Element verbindet - wunderbar. So
kommt es bei ihm zu einer Steigerung dieser -
wie er selber sagte - „scheinbar rohen und
gemeinen Mundart“. Sprache zielt ja heute meist
nur noch auf Informatives, auf Inhalte ab. Wir
sollten wieder zurück zu den Ursprüngen finden:
Die sind der Rhythmus, der Gestus, die
Farbigkeit, die Musikalität des Alemannischen,
der für mich großartigsten Mundart überhaupt.
Dazu passt wohl auch die Kombination
Ihrer Rezitation mit Musik?
Genau. Wir haben versucht, das Bekannte mit
passender Musik zu weiten. Das verdeutlicht: Die
Musikalität liegt schon in der Sprache drin. Die
Improvisationen mit Gambe, Gong und Glöckchen
ist keine Untermalung. Die Musik ist aus dem
heraus geboren, was Sprachklang ist.
Welche Texte haben Sie ausgewählt?
Die größten lyrischen Gedichte wie „Der
Schwarzwälder im Breisgau“, „Das Lied vom
Kirschbaum“, „Das Hebermus“, „Überraschig im
Garte“, „'s Spinnli“, ganz wichtig, und
natürlich „Die Vergänglichkeit“ - zum Andenken
an die Mutter erdichtet. Das ist ja Hebels
großes Thema: die liebevolle Ansicht der Welt,
das Große im Kleinen zu sehen.
Wird Hebel heute genug gewürdigt, zum
Beispiel in der Schule?
Ich bin traurig, dass die Resonanz auf Lesungen
in Alemannisch allgemein gar nicht so groß ist -
nicht mal im Hebeljahr! In meiner Schulzeit habe
ich Hebel intensiv kennengelernt. Heute ist das
wohl anders. Ich finde aber, in den
alemannischen Sprachraum gehört an allen Schulen
diese Hebeldichtung hinein. Ich rezitiere ja
neben Hebel auch Nietzsche oder Nelly Sachs.
Viele Menschen interessieren sich für diese
großartige Dichtung leider kaum. Die Menschen
haben heute allgemein für Dichtung selten ein
offenes Ohr. Sind wir eine triviale Gesellschaft
geworden? Ich würde gerne wie ein Barde durchs
Land ziehen, überall Hebel rezitieren und alle
Menschen für ihn und das Alemannische
begeistern.
WortKunstSchmiede –
Doris Hubach rezitiert Hebel, mit Musik:
Samstag, 6. März, 20 Uhr, Nellie Nashorn,
Lörrach
|
 |
|
|