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Presse aktuell 2010
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BZ vom 20.09.2010
Auch Hebel geht durch den Magen
Literarisches
und Kulinarisches wurden zum doppelten Genuss
für Hebel-Fans / Feinsinnige Geschichten um die
Küche
Von unserer
Mitarbeiterin Roswitha Frey
WIECHS. Es ist bekannt, dass der Dichter Johann
Peter Hebel gern im Wirtshaus einkehrte, weil er
dort nicht nur gut speisen, sondern auch
trefflich Menschen beobachten konnte. Auch seine
Kalendergeschichten spielen oftmals in
Wirtshäusern, wo Zecher versuchen, sich ein
schmackhaftes Mahl zu ergaunern und den Wirt
übers Ohr zu hauen. Was lag also näher, als
einmal das Kapitel Hebel, Gasthaus und feines
Essen zusammenzubringen?
Museumsleiterin Dr. Ulla Schmid hatte diese
originelle Idee zum Abschluss der
Hebel-Ausstellung im Museum der Stadt und als
delikaten Schlussbeitrag zum Hebel-Jahr. Hebel
zum Genießen auf literarische und kulinarische
Art gab es am Samstagabend und Sonntagmittag bei
einem ungewöhnlichen "Hebel-Menü" im Hotel
Berghaus Hohe Flum in Wiechs. Serviert wurde den
zahlreichen Gästen "Erquickliches für Leib und
Seele" : Geschichten und Gedichte des großen
alemannischen Dichters, in denen Wirtshausszenen
vorkommen oder es um das leibliche Wohl geht.
Passend dazu dachte sich Wirt Sven Huber
einfallsreiche Gerichte mit den von Hebel
erwähnten Speisen und Zutaten aus: Ein im
doppelten Wortsinn "wohlfeiles Mittagessen" ,
wie der Titel einer Geschichte lautet.
Ulla Schmid und Rosmarie Wiegand, Pädagogin aus
Mannheim, die die Hebel-Sonderschau "Nei lueget
au des Spinnli a" inhaltlich erarbeitet hatte,
teilten sich die Rezitation und stimmten
literarisch auf die sechs Gänge ein. Aus der
Schatztruhe der Hebelschen Prosa und Lyrik
hatten sie humorvolle, schelmische und
lebenskluge Erzählungen aus dem Rheinländischen
Hausfreund ausgesucht, die heute noch durch ihre
klare, verständliche Sprache und ihren zeitlosen
Humor die Zuhörer zum Schmunzeln und Lachen
bringen. In "Der Silberne Löffel" beobachtet ein
Wirtshausgast, wie ein anderer einen silbernen
Löffel im Rockärmel verschwinden lässt, und an
einer Stelle kommt eine Krebssuppe vor. Krebse
wurden zu Hebels Zeiten häufig aufgetischt. Beim
Hebel-Menü kamen Salat von grünen Bohnen mit
Krebsschwänzen auf den Tisch. In "Der schlaue
Pilgrim" bittet ein listiger Wanderer auf seinem
Pilgerweg bescheiden demütig um ein
Wassersüpplein mit Kieselsteinen, bis ihm die
mitleidige Wirtin eine nahrhafte Brühe mit
Fleisch und Gemüse bringt. Da durften die Gäste
gespannt sein auf die Vorspeise "Kiesel
steinsuppe mit Dinkelbrot" , die sich als sehr
lecker erwies. Eine lebhafte Impression vom
Marktleben führte Ulla Schmid in dem
alemannischen Gedicht "Die Marktweiber in der
Stadt" vor Augen: "Chromet grüeni Bohne! Chromet
geli Rüebe!" Was die Marktfrauen bei Hebel an
Gemüse anpreisen, fand sich auf dem Teller in
gefüllten Pastetchen mit Rübchen wieder. Dass
Hebel nicht nur ein unterhaltsamer Erzähler von
verschmitztem Humor, feiner Ironie und weiser
Menschenkenntnis war, sondern auch ein früher
naturwissenschaftlicher Aufklärer, zeigte
Rosmarie Wiegand in der Abhandlung "Das
Welschkorn" , in der Hebel über die
Verwendungsmöglichkeiten und Eigenschaften des
Mais aufklärt. Für Erheiterung sorgte die
Geschichte "Teures Späßlein" über einen Gast,
der sich in Basel einen bitteren Scherz mit dem
Wirt erlaubt und dafür teuer bezahlen muss. In
dieser Erzählung kommt die Rede auf eine
Bratwurst, die Hebels Lieblingsspeise gewesen
sein soll. Lokalkolorit kam ins Spiel in einer
Passage aus der Geschichte "Baumzucht" , in der
der Pfarrgarten in Schopfheim mit seinen
Zwetschgen- und Apfelbäumen erwähnt wird. Dies
leitete geschickt zum Dessert über.
Literarisches und Kulinarisches verbanden sich
zum doppelten Genuss für Hebel-Freunde.
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