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Presse aktuell 2013
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Weiler Zeitung vom 29.10.13
„Die Lehren Hebels sind zeitlos“
Liliane
Bertolini hielt den Festvortrag beim
„Hebelschoppen“ in Hertingen / Moralische
Botschaft
Von Dorothee
Philipp
Bad Bellingen-Hertingen. Das „Hebelglöckle“ im
Turm der Hertinger Kirche hat sie wieder
zusammengerufen, die Hebelfreunde, die am
Sonntag den „Hebelschoppen“ feierten. Seit der
Kanderner Schwarzwaldverein im Jahr 1911 eine
Gedenktafel am Hertinger Pfarrhaus anbrachte,
auf der steht, dass Hebel hier drei Jahre
wohnte, hat das gesellige Beisammensein im
Anschluss an die Zeremonie viele Auflagen
erfahren, am Sonntag war es die 103.
Nicht immer konnte der Brauch durchgehalten
werden. So stand der Hebelschoppen nach der
Jahrtausendwende mangels engagierter
Organisatoren auf der Kippe, konnte aber 2003
wiederbelebt werden dank des Einsatzes der
„Hebelfreunde“. Diese haben sich als lose Gruppe
ohne Vereinsstatuten der Pflege von Hebels
geistigem Erbe verschrieben.
„Der Karfunkel“ aus den Alemannischen Gedichten
Karl Mannhardt, Sprecher der Hebelfreunde,
begrüßte die Besucher zur Feierstunde in der
Hertinger Kirche. Er freute sich in seiner
Begrüßung über eine Abordnung des Kanderner
Schwarzwaldvereins und über die Anwesenheit der
Weiler Trachtengruppe um Paula Röttele. „Ohne
Sie wäre der Hebelschoppen kaum denkbar“, meinte
Mannhardt.
Die Mundartdichterin Christa Heimann rezitierte
als Prolog das Gedicht „Wächterruf“, in dem
Hebel den Nachtwächter bei der Verkündung der
vollen Stunde jeweils einen Denkspruch sagen
lässt, der die Bürger zu Redlichkeit,
Pflichterfüllung und Gottvertrauen mahnt.
Die elsässische Schriftstellerin Liliane
Bertolini hielt den Festvortrag. Wie viele im
Saal ist auch sie Trägerin der Hebelplakette.
Ihr Beitrag drehte sich um den „Karfunkel“, nach
der „Wiese“ das zweitlängste der Alemannischen
Gedichte. In einer gekonnten Verschränkung von
Inhaltsangabe und Interpretation ging Bertolini
auf die moralische Botschaft dieser Geschichte
ein, beleuchtete jede der handelnden Figuren
psychologisch und im Blick auf den Fortgang des
Geschehens. Sie verwies auf scheinbar belanglose
Details wie den Weg des Kapuziners auf der
Landstraße von Staufen (der Fauststadt) her oder
die Herkunft des Messers, mit dem sich der
Sünder am Ende richtet, aus Blotzheim, das zu
Zeiten der französischen Revolution auch
Richtstatt war.
Auch der „Ludwigstag“, an dem das Leben des
Michel endet, hat seine Bewandtnis, ebenso die
Namen von Katharina, der unglücklichen Ehefrau
des Michel, der Name Michel selbst, der Name des
Grünrocks Vizli Buzli und der in der
Rahmenhandlung vorkommenden Tochter Marie, die
dem Ätti zuhört.
Bertolini bot eine filigrane und in charmantem
Erzählton vorgetragene Interpretation des Werks,
die stets den Spannungsbogen hoch hielt und
dabei geschickt profundes Hintergrundwissen und
aktuelle Ergebnisse der Hebel-Forschung
einarbeitete. Die Aufforderung, den eigenen
Verstand zu benutzen, sei ein Kernstück der
Aufklärung seit Imanuel Kant und seinem „Sapere
aude“. Bis ins 21. Jahrhundert hinein gelte das
Prinzip des eigenverantwortlichen Handelns, ja,
es sei die Maxime der westlichen Demokratien,
sagte Bertolini. „Die Lehren Hebels sind
universal und zeitlos, weil sie sich auf die
Seele des Menschen beziehen“, lautete ihr Fazit.
Die Chorgemeinschaft Bad Bellingen unter der
Leitung von Günter Meyer umrahmte die
Feierstunde mit den romantischen Chorsätzen
„Morgenrot“ und „Abendfrieden“. Kurseelsorger
Horst Panzer sprach das abschließende Gebet mit
Vaterunser.
Im Anschluss feierte man im Gemeindehaus, wo im
geselligen Beisammensein unter der gekonnten
Moderation von Hans-Werner Oettlin einige
hörenswerte alemannische Beiträge aus dem
Publikum kamen.
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