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Presse aktuell 2013
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Die Oberbadische vom
12.11.13
„Verneigungsversuch“ vor Johann Peter Hebel
„Literatur
grenzenlos“:
Hebelpreisträger Arnold Stadler las im
Dreiländermuseum
Von Jürgen
Scharf Lörrach
Volker
Habermaier
(Foto: Th. Quartier)
Im ehemaligen Pädagogium (heute
„Dreiländermuseum“), da, wo Johann Peter Hebel
entscheidende Jahre gewirkt hat, gab der
Hebelpreisträger Arnold Stadler dem Hebelbund
Lörrach die Ehre mit einer Lesung.
Mit einer intelligenten literarischen Einführung
durch Volker Habermaier, den Vizepräsidenten des
Hebelbundes und Leiter der Literarischen
Begegnungen („Es hat mir gefallen, was Sie
gesagt haben“, so Arnold Stadler) wurden die
Hebelfreunde auf die Autorenlesung und Stadlers
Bezüge zu Hebel eingestimmt.
„Stadler und Hebel, das geht gut zusammen“,
befand Habermaier, der auch auf den nicht
unumstrittenen Essay seines literarischen Gastes
über „Johann Peter Hebels Unvergänglichkeit“
einging. Mit Stadler las ein ausgewiesener
Hebelkenner, dessen neuestes Werk „New York
machen wir das nächste Mal – kleine Geschichten
aus dem Zweistromland“ eine Verbeugung des 1954
in Meßkirch geborenen Büchner-Preisträgers vor
dem großen alemannischen Dichter ist.
Das Buch ist zwar als Partitur in zehn Sätzen
(Kapiteln) angelegt. Die musikalischen
Elementen, aber auch der Anklang an die Welt und
die Sprache Hebels sind ganz deutlich – es ist
„auch ein Verneigungsversuch von mir“, so Arnold
Stadler in den wenigen Anmerkungen, die er
machte.
Da sein Buch in die Richtung Hebels geht, durfte
es auch „ein bisschen pädagogisch“ sein, indem
der Autor die Titel der zehn Kapitel vorlas.
Darunter „Der Mensch ist kein Baum und hat auch
keine Wurzeln“. In diesem Abschnitt finden sich
Geschichten, die für sich stehen: kurze
Erzählungen im Hebelschen Geist wie „Der
Landrat“. Hier zeigt sich der Hebelpreisträger
als ein wahrer literarischer Hausfreund Hebels.
Die Lesung begonnen hat Stadler mit dem ersten
Satz seines autobiografisch grundierten Romans.
Die Hauptfigur Roland kann man, ordnet man die
Buchstaben des Namens anders an, auch als Arnold
lesen – als sein Alter ego. Erzählt wird von
Menschen, die ankommen und nicht bleiben.
„Damals war die Sehnsucht seine Zukunft, so wie
die Vergangenheit nun sein Heimweh war“, ist ein
Schlüsselsatz gleich auf Seite 12. Roland
formuliert einmal das Wort von der
„Schwarzwaldtannenschwermut“. Und mehrfach
variiert, erscheint der Satz „Der Mensch hat ein
Leben lang Angst vor dem Tod wie die Kinder vor
dem Wauwau“.
Es sind traurige und verträumte, aber auch
humorvolle Geschichten, die Stadler erzählt.
Beim Lesen überspringt er manchmal einige
Absätze oder gar Seiten, aber das hat
dramatische Stringenz und lenkt die Fäden hin zu
existenziellen Passagen, die schon beim
einmaligen Hören haften bleiben. Etwa: „…die
Erinnerung ist eine Bluterkrankheit, als wäre
sie ansteckend und meldepflichtig, und der
infizierte Schriftsteller muss sich ein Leben
lang sagen: ‚Ich blute, ich erinnere mich, es
tut weh, ich bin“.
Nach der letzten Kurzgeschichte im Buch –
Hebelianer, aufgehorcht! – mit der Überschrift
„Kannitverstan“, eine Art Epilog, wurde das
anschließende Gespräch im Großen in viele
Gespräche im Kleinen verlegt. Das war auch dem
Autor lieber.
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